Was sind genau diese Glaubenssätze?
Ich stolper immer wieder über diesen Begriff „Glaubenssätze“ – in Büchern, im Netz oder auch in der Therapie. Und jedes Mal frage ich mich: Was genau ist damit eigentlich gemeint?
Für mich sind Glaubenssätze sowas wie innere Überzeugungen oder Bewertungen – über mich selbst, über andere Menschen und auch über die Welt an sich. Sie entstehen nicht einfach aus dem Nichts, sondern formen sich im Laufe des Lebens. Durch Erfahrungen, durch das, was mir gesagt wurde, was ich erlebt habe oder wie ich behandelt wurde. Und irgendwann laufen diese Sätze wie automatisch in mir ab, ohne dass ich sie groß hinterfrage.
Viele dieser Sätze drehen sich um mein Selbstbild, zum Beispiel:
„Du schaffst das eh nicht“,
„Niemand mag mich“,
„Ich bin langweilig“,
oder „Ich bin es nicht wert“.
Solche Gedanken sind – glaube ich – ziemlich typisch, wenn man mit Depressionen zu tun hat. Aber es gibt auch welche, die eher das Verhalten betreffen:
„Erstmal die anderen“,
„Bloß nicht auffallen“,
oder „Wenn du nett bist, wirst du gemocht“.
Und dann gibt es auch Glaubenssätze, die sich auf andere Menschen oder die Welt beziehen. Zum Beispiel:
„Menschen sind nicht vertrauenswürdig“,
„Man darf keine Schwäche zeigen“,
„Die Welt ist gefährlich“,
oder „Du musst dich anpassen, sonst wirst du ausgeschlossen“.
Auch diese Sätze können tief sitzen und beeinflussen, wie ich mich im Alltag verhalte – oft ohne dass mir das überhaupt bewusst ist. Sie können mich in meinen Beziehungen blockieren, Entscheidungen erschweren oder dafür sorgen, dass ich mich immer wieder selbst klein halte.

Welche Glaubenssätze habe ich?
Ich muss pünktlich sein
Noch verspüre ich oft diesen inneren Drang, direkt mit der Arbeit anzufangen und bloß keine Zeit zu „verplempern“. Dabei könnte ich gerade bei flexiblen Terminen und meiner Gleitzeit ruhig etwas entspannter damit umgehen und mir erlauben, solche Momente – wie morgens mit meinen Kindern am Tisch zu puzzeln – auch mal ganz bewusst zu genießen.
Ich muss alles richtig machen, um anerkannt zu werden
Ich versuche meistens, im Hintergrund zu bleiben. Nicht laut, nicht auffällig – einfach still da sein. Und dann wie selbstverständlich Lösungen liefern. Am besten so, dass niemand merkt, wie viel Anstrengung dahintersteckt. Dass ich eigentlich hoffe, darüber gesehen und anerkannt zu werden. Bloß keine Schwäche zeigen, bloß nicht sagen: „Ich weiß gerade nicht, wie ich das machen soll.“ Stattdessen lieber weitermachen, leisten, funktionieren – aus Angst, sonst nicht mehr gemocht oder ernst genommen zu werden.
Es gibt nur richtig oder falsch – ein Mittelding ist nicht erlaubt
Ich merke, dass ich oft noch Schwierigkeiten habe, in mich reinzuspüren. Wenn es zwei Möglichkeiten gibt – A oder B – denke ich schnell, dass eine davon die richtige sein muss. Und dann kommen sofort die Zweifel: War das jetzt wirklich richtig? Hätte ich mich anders entscheiden sollen? Gerade bei Themen wie Erziehung merke ich das stark. Ich frage mich dann: Welcher Stil ist denn der richtige? Welcher Weg ist „richtig genug“? Dabei weiß ich eigentlich, dass es oft gar kein klares Richtig oder Falsch gibt. Dass es nicht immer schwarz oder weiß sein muss – sondern dass es auch viele Grautöne dazwischen gibt. Und dass ich mir selbst vertrauen darf. Dass meine innere Stimme genauso zählen darf wie all die äußeren Meinungen.
Ich schaffe das nicht
Mein Endboss: die Angst vor der Angst vor der Angst. Klingt verrückt – ist es auch irgendwie. Wenn ich in diesem Tunnel drin bin, verliere ich komplett die Zuversicht. Dann kommen wieder diese Zweifel. An allem. An mir. Aber ganz ehrlich – warum sollte ich es nicht schaffen? Ich habe es doch schon mal geschafft. Und ich werde es auch wieder tun. Tief drinnen weiß ich das. Und trotzdem kreist so viel ständig genau darum. Zu viel Kontrolle, zu viel Grübeln, zu viel „Was wäre wenn“. Vielleicht ist genau das der Punkt: Ich muss lernen, loszulassen. Nicht alles festhalten, nicht alles kontrollieren wollen. Sondern mehr zulassen, was kommt. Schritt für Schritt.
Ich muss gut schlafen
Es gibt einfach beschissene Nächte. Die hat jeder. Aber ich bewerte sie jedes Mal über. Vielmehr ist es die Angst vor der nächsten beschissenen Nacht, die mich festhält. Ich male mir aus, wie es weitergeht – mehrere Nächte ohne Schlaf, und am Ende steht für mich sofort wieder das Bild: stationär. Rückfall. Endstation. Und genau dadurch dreht sich nachts das Karussell weiter. Ich halte es selbst am Laufen. Dabei muss ich nicht immer gut schlafen. Niemand schläft immer gut. Schlechte Nächte gehören dazu – und sie gehen auch wieder vorbei. Ich wünsche mir, mehr Vertrauen zu haben. In mich. In meinen Körper. Dass er weiß, was er tut. Und dass die nächste Nacht vielleicht einfach wieder besser wird. Ganz ohne Druck.
Ich bin uninteressant / Langweilig
Manchmal merke ich, dass ich durch meine Hilfsbereitschaft versuche, irgendwie interessant oder nett zu wirken. Und ja, ich bin wirklich gerne hilfsbereit – das kommt von Herzen. Aber ganz ehrlich: ein Teil von mir will damit auch gemocht werden. Vielleicht sogar bewundert werden. Oder zumindest so wirken, als hätte ich was drauf. Als wäre ich wichtig. Dabei vergesse ich oft mich selbst. Ich muss nicht interessant wirken. Ich muss nicht wichtig sein. Ich hab meine kleine, feine Connection – Familie, ein paar enge Freunde – und das reicht. Die mögen mich, so wie ich bin. Die finden mich bestimmt nicht langweilig. Und wenn doch jemand denkt, ich sei uninteressant – dann soll’s mir doch eigentlich egal sein, oder? Ich arbeite dran. Schritt für Schritt.
Ich bin dumm
Manchmal steckt da dieser fiese Satz in meinem Kopf: „Ich bin dumm.“ Nicht laut, nicht direkt – aber spürbar. Zum Beispiel, wenn ich mich in Gesprächen intellektuell unterlegen fühle. Dann traue ich mich nicht zu fragen – aus Scham. Weil ich denke, der andere könnte mich dann für weniger halten. Oder mich sogar ablehnen. Auch in der Therapie spüre ich das manchmal. Da ist dieser Zweifel: „Kapiere ich das überhaupt?“ Ich frage mich, ob ich überhaupt in der Lage bin, Dinge wirklich zu verstehen, geschweige denn sie später im Alltag umzusetzen. Als wäre das, was ich dort lerne, irgendwie „zu groß“ für mich. Und trotzdem will ich das nicht einfach so stehen lassen. Ich weiß, dass es kein Fakt ist, sondern ein Glaubenssatz. Einer, der mir klein macht – und der nicht die Wahrheit über mich sagt.
Ich bin stark und brauche keine Hilfsmittel
Ich weiß nicht genau, warum – aber irgendetwas in mir will offenbar jemandem beweisen, dass ich stark bin. Dass ich „klarkomme“. Vielleicht sogar, dass ich das alles irgendwie ohne Hilfe schaffe. Ich warte oft, bis es gar nicht mehr anders geht, bevor ich zu Medikamenten wie Pipamperon greife. Und wenn es in Gesprächen um mein Befinden geht, erwähne ich manchmal fast nebenbei, dass ich kein Antidepressivum nehme. Warum eigentlich? Will ich damit zeigen, dass ich „nicht so krank“ bin? Dass ich es auch ohne schaffe? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht will ich einfach nicht schwach wirken. Vielleicht rede ich mir ein, dass ich es so besser unter Kontrolle habe. Dabei gehe ich ja eigentlich offen damit um, dass ich eine Angststörung und Depression habe. Und trotzdem bin ich irgendwo stolz darauf, dass ich kaum Medikamente nehme. Klingt komisch – ist aber so. Diesen Stolz sollte ich vielleicht mal hinterfragen. Denn was bringt er mir wirklich? Ich muss niemandem etwas beweisen. Und schon gar nicht, indem ich mir Hilfe verweigere, die mir guttun würde.